Mittwoch, 30. Oktober 2013

Gesprächseröffnung

Dass die Iren ein freundliches, sehr zum Plaudern aufgelegtes, aufgeschlossenes Völkchen sind, habe ich in diesem Blog schon oft betont. Vor allem Iren meiner Generation und älter sind wahre Plaudertaschen, wohl noch geprägt von einer Zeit, in der man - bedingt durch Arbeitslosigkeit und insulare Isolation - einfach die Zeit zum endlosen Reden hatte. Kein Internet und kein Kabelfernsehen, die einen ununterbrochen unterhielten. Wer kommunizieren wollte, brauchte dazu noch Gesprächspartner. Und so sind sie auch heute noch, einem kleinen "chat" nie abgeneigt, denn small talk geht schließlich immer.
Small Talk ist nicht unbedingt universal kulturkompatibel. Wir Deutschen sind dazu ja eher etwas zu ernsthaft und dröge - bei uns muss es leidenschaftlich und in die Tiefe gehen.  Abgedroschene Oberflächlichkeiten sind uns zuwider. Man redet ja schließlich nicht zum Spaß, sondern man übermittelt Informationen! Deshalb sind wir auch direkt und auf den Punkt gerichtet. Die Iren dagegen reden um des Redens willen. Ein Gespräch muss mäandern, dient dem intrinsischem Amüsement und nicht einer extrinsischen Motivation und ist dementsprechend entweder von Humor oder von ausgesprochener Freundlichkeit geprägt.
An der Spannungsfläche irisch-deutscher Gesprächsführung betreibe ich nun schon seit Jahren meine Studien, und bin heute noch nicht wirklich schlauer als vor 20 Jahren. Denn deutsche Wirklichkeit und irische Ausschmückung kommen bei mir meistens nicht in Einklag. Beispielsweise heute, als ich auf der Straße zufällig einen meiner Uni-Dozenten traf. Sellbstverständlich gab es sofort ein spontanes Schwätzchen, egal welche Hierarchien uns eventuell einmal getrennt haben könnten. Die Gesprächseröffnung kam von M___ "Hallo, Sonja, wie geht's? Du siehst aber gut aus." Bam! Da war mal wieder einer der Knaller, die mich regelmäßig außer Fassung bringen. An diesem Spruch "du siehst aber gut aus" (You are looking well!) wird die Unterschiedlichkeit deutscher und irischer Gesprächseröffnung mal wieder deutlich. Während Ire M___ mit der Floskel lediglich den Ball in meine Richtung spielt, setzen sich in Sonjas deutschem Hirn die Schrauben in Bewegung.
"Ich sehe gut aus? Wieso sagt der, dass ich gut aussehe? Ich habe in letzter Zeit gefühlte 20 Kilo zugenommen. Ich müsste eigentlich wesentlich mieser aussehen als zu der Zeit, als ich noch regelmäßig einmal die Woche in M___s Klassenzimmer saß. Oder ist das ein Euphemismus? Hm. Stimmt, damals, als ich so richtig fies übergewichtig war, da wurde mir das dauernd von allen Leuten gesagt, die ich traf. Heißt das etwa, dass ich übermäßig zugenommen habe? So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht. Waren doch nur knapp 5 Kilo. Aber stimmt, ich sollte mal wieder meinen Schokoladekonsum etwas zurückschrauben. Und ich könnte auch mal wieder regelmäßig joggen gehen. Ist ja auch wirklich total schlecht, mein Lebenswandel, immer nur den ganzen Tag vor dem Computer sitzen und den Hintern nicht vor die Tür bewegen. Kann aber natürlich auch sein, dass M___ mich wirklich nur freundlich komplimentieren will und gar nichts anderes damit im Hinterköpfchen hat. Oder will er mich etwa anschnacken? Aber ich bin doch viel zu alt und viel zu liiert dazu. Und er auch."
Was hier einen ganzen Absatz inneren Monologs ausmacht, sieht auf irischer Seite dann etwa so aus: "Hab Sonja lange nicht gesehen. Hat sich aber nicht verändert. Sieht gesund aus."
Fazit: Was die Iren auf der Zunge haben, das haben wir Deutschen (Frauen?) offenbar im Kopf. Während der Ire ein kleines Kompliment in die Manege wirft, spielt die deutsche Frau sämtliche Möglichkeiten der Interpretation im inneren Monlog aus. Kein Wunder, dass wir beim Small Talk auf der Strecke bleiben. Wie soll man da schnelle Rückmeldung geben?
Die Wunderwaffe in der Situation ist, solche Gesprächseröffnungen grundsätzlich nicht als wortwörtliche Meinungsäußerung zu verstehen, sondern als eine ausgeschmückte Erweiterung der höflichen Nachfrage nach dem allgemeinen Gesundheitszustand. Quasi ein zusammengezogenes Howareyouyouarelookingwell mit der Bedeutung "Schön, dich wiederzusehen."
Kann jemand meinen inneren Monolog mal bitte ausknipsen? Der macht mich wirklich noch wahnsinnig.

Sonntag, 20. Oktober 2013

Lashes

1920s Sonja
... heißt Wimpern und ist etwas, was zarte (*hüstel*), ätherische, hellhäutige Naturblondinen wie ich nicht im Überfluss haben.  Aber gemäß meinem oft zitierten Wahlspruch "Man muss nur die richtigen Leute kennen", habe ich eine Freundin, die als Visagistin arbeitet und mir aushelfen kann - oder der ich mich als Opfer zur Verfügung stelle, wenn mal ein neuer Vintage-Look geübt werden muss. So geschehen gestern nachmittag, als ich mich zwecks Verschönerung bei Maite unters Messer Wimpernbürstchen begeben habe. Der Plan: Sommer-Look der Zwanziger Jahre. Ein herrlich entspannendes Vergnügen - da wird zart das Gesicht mit Foundation gepflegt und dann gebogen, gemalt und getupft, bis der Look richtig stimmt. Dazu wird entspannt geplaudert (außer ich muss die Klappe halten, weil die Lippen modelliert werden). Am schmerzhaftesten war selbstverständlich hinterher das fotografische Dokumentieren der Arbeit.
Maite ist für den Teil "Lashes" in dem Beauty-Duo "Locks & Lashes" zuständig, einem Hair-and-Make-up Venture, das sich vor allem auf den Vintage-Look spezialisiert hat. In Dublin bieten Maite und Hairstylistin Maureen spezialisierte Beauty-Kurse und Make-overs an, bei denen man mehr über die Looks der Vergangenheit lernen oder sich das entsprechende Styling beibringen lassen kann. Eine tolle Sache für einen Geburtstag, einen Junggesellinnenabschied oder einen etwas anderen Betriebsausflug zum Beispiel.

Als ich nach dem Make-over in den Spiegel guckte, habe ich mich erst einmal gar nicht wiedererkannt. In a good way! (Ich mag mich selten im Spiegel. Oder auf Selbstportraits - siehe oben.) The power of make-up?! Ein bisschen ist es ja wie eine Maske, hinter der man sich verstecken kann. Entsprechend schritt ich mit einem höher als sonst erhobenen Kopf nach der Make-up-Session nach Hause, das fragile Selbstbewusstsein von ausdrucksvollem Lidstrich und herausforderndem hellroten Lippenstift überdeckt. Der GäGa, so war ich sicher, würde mich umwerfend finden und stante pede einen gemütlichen Ausgeh-Abend mit mir anberaumen.

Maud Flanders
Ich trat in die Küche, wo der Gatte lesend auf mich wartete. Sein Kommentar: "Hast du mal in den Spiegel geguckt????" Und nein, das war nicht als Kompliment gemeint. Es fielen noch ein paar Referenzworte - ich meine, der Name "Maud Flanders" wurde erwähnt. Es genügt wohl zu sagen, dass aus meinem erhofften Tête-à-tête in gediegener Restaurant-Atmosphäre nichts mehr wurde.

Auf die Straße musste ich aber doch noch, um den Thronfolger von einem Konzert abzuholen, das um 23 Uhr endete. "Immerhin doch noch Gentleman genug, dass er seine Herzdame nicht alleine durch das dunkle Dublin laufen lässt", dachte ich mir. Weit gefehlt - an entscheidender Stelle schlug der Gatte vor, getrennte Wege zu gehen, falls der uns entgegenlaufende Sohnemann einen anderen Weg nehmen würde. Entscheidend, da mir kurz danach, alleine weitergehend, ein Grüppchen junger Männer entgegen kam. Einer der Kerle nahm mich singend ins Visier, ging an mir vorbei und schlug mir auf den Hintern. Ich war platt. (Der Typ war betrunken.)

Maud Flanders, you sexy beast. Mein Gatte  hat keine Ahnung!

Freitag, 4. Oktober 2013

Spülmaschinenzwangsneurose

Sprach ich an diesem Ort schon einmal über kulturelle Unterschiede? Im Hause K___-P___ wird der Kampf der Nationen an der Spülmaschine ausgetragen. Wenig, so meine Erfahrung, scheidet die Geister so entschieden, wie die beste Methode des Geschirreinräumens in den beliebtesten Helfer der fleißigen Hausfrau. An meinen Herrn Bosch lasse ich nur Wasser und meine eigenen zwei Hände. Eifersüchtig wird der verlässliche Hausfreund ausschließlich von mir betreut und bedient. Denn außer mir kann ja auch niemand die Spülmaschine richtig einräumen.

Geschirrspüler. Unter- und Oberkorb.
Unten links: Bonus! Antibakterielle, fußbettfreundliche Hausschuhe der modebewussten Hausfrau
Hier sehen Sie, verehrte Damen und Iren, wie man eine handelsübliche, für den Einsatz im inländischen Durchschnittshaushalt kompatible Spülmaschine ordnungsgemäß einräumt. Das fängt zunächst mit dem nach Tellergrößen vorsortierten Einstecken der Essteller an. Von diesen werden vor dem Einräumen grob die übrig gebliebene Essensreste entfernt. Auf Grund der Bauweise des Geschirrspülermodells der Marke Bosch, ergibt sich eine logische Anordnung der Teller: Diese werden in die dafür vorgesehenen Tellersteckvorrichtungen eingeschoben. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Teller mit einem Durchmesser von über 20 Zentimetern auf Grund des vorgegebenen Standplatzes des herausnehmbaren Besteckhalters (Plastik) nicht direkt neben selbigem eingesetzt werden können. Bei der Beladung der Spülmaschine sollten Kuchen-, Salat- und Dessertteller mit einem Durchmesser von bis zu 20 Zentimetern dementsprechend vorzugsweise neben dem Besteckhalter eingeschoben werden, während größere Essteller vom Rand her eingeräumt werden. Die breiteren Abstandhalter können wahlweise mit Suppentellern bestückt, oder mit größeren Schüsseln, Töpfen oder Krügen beladen werden.

Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, bereits bei der Beladung des Besteckhalters das Besteck vorzusortieren um die spätere Entladung zeitökonomischer zu gestalten. Für Teelöffel wurden zwei Abteilungen des Besteckhalters entsprechend mit geringerer Tiefe angelegt, so dass die Löffel über den Rand herausstehen und beim Einräumen ohne Schmutzkontakt in den Halter eingestellt werden können. Diese sind bei der Sortierung des Besteckkorbs entsprechend ausschließlich mit kurzen Besteckteilen zu bestücken. Auf Grund lösungsmitteltechnischer und physikalischer Naturgesetze wird Besteck erfahrungsgemäß sauberer, wenn man die für den Kontakt mit dem Mundinnenraum vorgesehenen Enden der Besteckteile nach oben zeigend in den Besteckkorb einstellt. Diese Regel kann in Ausnahmefällen - scharfe Messer, spitze Bratengabeln - missachtet werden, um eventuelle Verletzungen bei Be- und Entladung zu vermeiden.

Müsli- und Dessertschalen sollten auf Grund ihrer oftmals kostbareren Verarbeitung - wenn beispielsweise aus Kristall, Glas und Porzellan - in dem dafür vorgesehenen oberen Tassen- und Gläserbereich eingestellt werden. Die Bauweise des Oberkorbs ermöglicht das platzsparende Anordnen von Kaffeetassen übereinander dank der herunterklappbaren Seitenablagen und sollte wenn möglich angewandt werden. Becher und Gläser werden in Reihen so nebeneinander angeordnet, dass ohne Platzverlust maximale Spülauslastung gewährleistet wird. Hierbei hat es sich als zweckmäßig erwiesen, die Becher und Gläser nach Durchmesser getrennt anzuordnen, um Gefäße mit größerem Durchmesser optimal neben Bechern geringeren Durchmessers einzupassen. Extralange Messer und/oder Kochlöffel liegen platzsparend auf der oberen Ablage. Eventuell entstehende Lücken zwischen Bechern und Gläsern lassen sich effektiv mit Plastikdeckeln oder schmalen Diversika bestücken.

Vor dem Entladen ist das Geschirrspülgerät mittels Betätigung des Netzschalters (Ein/Aus) von der Stromversorgung zu nehmen. In der Vergangenheit hat es sich als zweckmäßig erwiesen, vor Entladung des Geräts die Klapptür zunächst engspaltig zu öffnen, um für den unkomplizierten Abzug eventuell noch im Gerät befindlichen Wasserdampfes zu sorgen. Achtung: Beim Spülvorgang kann es zu erheblicher Hitzeentwicklung kommen. Sofortiges Entladen nach Ablauf des Spülprogramms ist auf Grund der Wärmespeicherung des Geschirr- und Besteckmaterials nicht zu empfehlen. Viel Freude mit ihrem Gerät.

Sollte es in Zukunft eine amtliche Spülmaschinen-Einräum-Verordnung (SpEVO) geben, bitte ich um Berücksichtigung die in meiner verbindlichen Handreichung diesbezüglich vorgeschlagenen Musterlösungen. Eventuelle Abweichungen von den intensiv in jahrelanger Praxis experimentell und empirisch geprüften bewährten Methoden sind auf herstellerbedingte Abweichungen bei der Bauweise und Innenausstattung herkömmlicher und handelsüblicher Geschirrspülgeräte zu erwägen.

Zwangsneurose? Wer? Ich? Nee!

Mittwoch, 4. September 2013

Besuchsmarathon

So, wenn hier lange Funkpausen auf dem Blog sind, dann heißt das meistens nur eines: Ich habe Besuch. Oder ein zu geselliges Sozialleben. Hier sind seit dem letzten Eintrag drei Wochen vergangen. Das heißt, mein eigener Urlaub war bereits vorbei, und ich war wieder zurück im Alltag. Dank meines wunderbaren iPhone-Fototagebuches kann ich lückenlos nachvollziehen, was ich seit dem 11. August alles gemacht habe.

Wie man sieht, habe ich gebastelt, Sushi gegessen, Sonnenuntergänge genossen, mir ein Tattoo auf den Arm stechen lassen (nichts ist mir zu schade für meinen geliebten RA), Blumen angeguckt und ein Fotobuch in Empfang genommen. Und dann bekam ich auch schon wieder am 21. August Besuch. Von da an wird meine Fotodokumentation dann mal wieder weniger egozentrisch. Keine neckischen Trägerhemdfotos, sondern dann ist mehr Action drin. Denn wenn Besuch da ist, dann gibt es auch mal Programm im Hause K___-P___. Dank meiner Freundin K___, die mich zwei Wochen besucht hat, bin ich mal vom Computer weg und raus gekommen. So waren wir zum Beispiel auf Stadtrundgang und haben uns den Garten von Dublin Castle angeguckt (den ich hier schon einmal als Geheimtipp erwähnt habe), waren im Dämmerlicht in Trinity College, haben den wunderschönen Cliff Walk auf Howth gemacht und uns Kultur bei der Ausstellung 40/40/40 gegeben.
Der Besuch gibt sich derzeit bei uns die Klinke in die Hand - heute ist K___ abgefahren, doch nachmittags traf bereits V___ ein, die uns vor drei Jahren in Bologna Unterkunft gewährt hatte. Wenn V___ am Freitag wieder abfliegt, wird das Gästezimmer von meiner ehemaligen Kollegin S___ übernommen, die einen Wochenendtrip von Paris aus nach Dublin macht. Dann kommt erstmal eine Pause zum Verschnaufen Abarbeiten des Bettwäscheberges, und V___ und ich jetten luxuriös für eine Übernachtung nach London. Und kurz danach darf ich dann meine Freundin D___ aus Berlin hier für eine Woche begrüßen.

Ich find's klasse. Der allzu faule innere Schweinehund, der am liebsten immer nur am Computer sitzt und nur aus dem Haus geht, um Zigaretten zu kaufen, wird dann mal vor die Tür gejagt. Das Sozialleben blüht auf. Man kann sich immer sehr schön daran gewöhnen, muss ich sagen, und wenn der Besuch dann plötzlich weg ist, ist es furchtbar leer und langweilig im Haus.

Sonntag, 11. August 2013

Country Living

Was in Deutschland erst in den letzten Jahren so richtig zur Blüte gekommen ist, gibt es im anglophonen Sprachraum schon lange - eine Vielzahl an Magazinen, die das ländliche Leben preisen und vor allem mit schönen Fotos von noch schöneren rustikalen Interieurs die Städter-Sehnsucht nach abgescheuerten Holztischen und ausgetretenen Granitböden bedienen. Ich bin eigentlich eher für das modern-minimalistische Interieur zu haben, gerne auch im eklektischen Zusammenspiel mit ein paar ausgesuchten Designerstücken, aber da wo es hinpasst, ist so ein traditioneller Look schon wirklich schön. Meistens jedoch, hat man das Gefühl, dass die Inneneinrichtung ausschließlich zum Angucken gemacht ist. Hinsetzen verboten. Und schon gar nicht auf den malerisch abgenutzten Küchentisch kleckern. Das passt farblich nicht zum kunsthandwerklichen Töpfer-Teeservice.

Selten hat man jedoch mal das Glück, so ein Interieur "in echt" zu erleben. Man muss nur die richtigen Freunde haben. Da lob ich mir mal wieder die Iren. Die sind in dieser Hinsicht doch meistens sehr unkompliziert, und so durften wir vergangene Woche das wundervoll renovierte Farmhouse von unserem Freund S___ in Co. Armagh zum Urlauben beziehen.

Straight out of 'Country Living'
Angesichts so eines historischen Innenlebens macht es dann auch gar nichts aus, wenn es mit dem Internetzugang hier nicht klappt. Statt dessen gab es Sommerwetter mit milden 22 Grad und Sonnenschein satt. Da es auf der Farm nicht prätentiös zugeht, bauten wir uns schnell eine kleine Terrasse auf den Rücken des "drumlin" (so nennt man die charakteristischen, schmalen Hügel, die in Nordirland die Landschaft prägen), an dem die Farm liegt. In der Scheune der Farm gab es zahlreiche Industriepaletten, die einen perfekten Holzboden ergaben. Hier im Bild, sieht man sie gerade mal noch:

Country Living - macht Spaß. Freiheit für die Kinder, die im Schlafsack unter den Sternen übernachteten, und die Eltern, die ihren abendlichen G&T gepflegt auf der Terrasse einnahmen. So muss Sommer sein. Und wer glaubt, dass das eine Ausnahme ist und es in Irland immer nur regnet: Nein. Irland ist einfach unbeschreiblich schön und hat zahlreiche Sonnenstunden. Nur gelegentlich mal unterbrochen von einem schnellen Schauer. Eben nichts für Weicheier und Schönwetter-Cabriofahrer. Aber ein bisschen Zivilisations-resistent muss man schon sein. Ansonsten sollte man doch nur bei den bunten Bildchen in "Landlust" bleiben.

Samstag, 10. August 2013

Wandern mit den P___s

Sagte ich in meinem letzten Beitrag etwas von "ich weiß nicht, wann ich wieder posten werde"? So ein Unsinn. Wie konnte ich vergessen, dass ich eine irische Schwiegerfamilie habe. Und diese gibt immer wieder Gesprächsanlass. Erst recht, wenn man mehrere Tage mit (Teilen) dieser Familie unterwegs ist. Scheinbar habe ich in langjähriger Arbeit bei meinem gälischen Gatten die Auswüchse familiärer Exzentrizität bereits abgeschliffen. Im Zusammenspiel mit einem oder mehreren Familienangehörigen jedoch bricht dann das P___-Blut wieder voll aus ihm heraus. Es lebe der Kulturunterschied.
Aus der Serie "Wandern mit den P___s" hier Teil XY. Wir befanden uns auf einem Ausflug an einen der schönsten Fleckchen Irlands. Nach dem Lunch an einem wunderschönen Strand, bei dem wir Besuch von ein paar neugierigen Kühen erhielten, die sich in den Atlantikwellen offenbar abkühlen wollten, hatte der Urlaubsrat beschlossen, mit der gesamten Truppe nun den Giant's Causeway zu besichtigen. Wir waren sechs Erwachsene und acht Kinder im Alter vo 14 bis acht. Angesichts von Eintrittspreisen von acht Pfund für Erwachsene und fünf Pfund für Kinder, wollten wir die 80 Pfund lieber sparen. (In der Truppe wird Geld vorzugsweise in gutes Essen umgesetzt.) Schwager kannte die Gegend von einem kürzlichen Wochenendtrip und steuerte uns an einen Parkplatz, von dem ein Klippenweg von hinten an den Giant's Causeway heranführte. 
White Park Bay, Co. Antrim
 Das Eindringen ohne Bezahlen in irische Kulturstätten hat in der P___ -Familie Tradition. Das Argument dabei ist, dass die Kulturstätten schließlich allen gehören - und es eine Frechheit ist, dafür auch noch exorbitante Eintrittspreise abzugreifen. Das spricht den Geizhals in mir durchaus an. Insofern war ich auch gerne bereit, auf den Klippenweg zu gehen, um dezent in den Naturpark einzubrechen und mich daran zu freuen, die Eintrittspreise umgangen zu haben. Leider wurde uns der britische Hang, das Empire auch heute noch in Form von empirischen Maßeinheiten auszuleben, dabei zum Verhängnis. Wer weiß schon, wie lang 4,5 Meilen sind? Das wissen nicht mal die metrisierten Iren. Bei herrlichem Wetter liefen wir im Gänsemarsch am Klippenrand über dem Atlantik entlang. Über uns die Sonne, grüne Gräser zu Füßen, das azurblaue Wasser bis zum Horizont, wo uns Schottland herüberwinkte. Wunderschön.
Doch selbst der schönste Weg wird irgendwann zur Tortur, wenn das anvisierte Ziel partout nicht in die Nähe rücken will. Oder wenn man als Deutscher mit einem Pünktlichkeitsgen ausgestattet ist, das mit jeder fortrückenden Minute immer lauter darauf hinweist, dass der letzte Einlass in die Kulturstätte immer näher rückt. Und dass man den Weg, den man hingeht, auch zwangsweise wieder zum Auto zurückgehen muss.
Für Menschen aus dem P___-Genpool ist so etwas nur eine Nebensächlichkeit. Für mich dagegen sind solche den Gesetzen der Logik unterliegenden Tatsachen essentielle Planungseckpunkte. Ich gehe um 16 Uhr nicht auf einen Klippenweg ungenauer Weglänge, wenn ich weiß, dass um 17 Uhr am Zielpunkt dicht gemacht wird. Und wenn ich besagten Klippenweg auch wieder bis zum Parkplatz am Ausgangspunkt zurücklatschen muss. Dummerweise befinde ich mich bei meiner Schwiegerfamilie einfach in Unterzahl. Da bleibt meistens nur die gute Miene zum bösen Spiel - was für verwöhnte Einzelkinder, die mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet sind die glauben, dass sie es besser wissen), nicht ganz einfach ist. Ich sollte mir für solche Fälle eine Beißschiene vom Zahnarzt machen lassen.
Eine Stunde nach Abmarsch lag wieder eine weitere Klippennase vor uns, von der wir alle geglaubt hatten, dass sie die letzte sei. Der Atlantik war mittlerweile nicht mehr Riviera-azurblau sondern langweilig bleigrau, die Sonne erwärmte nicht das Gemüt, sondern die Achselhöhlen, und die Möwen kreisten nicht, sondern sie kreischten... nervtötend. Wir beschlossen, uns von den nächsten uns entgegen kommenden Wanderern bestätigen zu lassen, dass der Causeway nur fünf Minuten entfernt sei. Pustekuchen. Eine weitere Stunde, informierte uns der freundliche Wanderer. Der gälische Gatte - die unguten Vibrationen aus dem teutonischen Seelengefäß spürend - beschloss, sich zu opfern. Er gehe jetzt zurück zum Auto, damit er die Gruppe später am Eingang zum Causeway treffen und nach und nach zum Parkplatz zurück kutschieren könne. Fröhlich-freundlich nahm der Rest der Familie das Angebot - noch nicht mal gebührend demütig - entgegen. Schließlich hatte mein Schwager den Mist verbockt. Eigentlich hätte er der Fairness halber zurück latschen müssen, zudem er den Causeway bereits gesehen hatte, der GäGa jedoch nicht. Ich war auch schon mal dagewesen. Vor 22 Jahren. Mit der archäologischen Gesellschaft des University College Dublin, im Jahr 1991. Gelegenheit, die negativen Vibes in voll ausgewachsenes Märtyrertum zu überführen. Schließlich konnte ich den GäGa ja nicht alleine über den Klippenrand stolpern lassen.
Rückwege sind ja immer kürzer als Hinwege, und nach knapp 45 Minuten waren wir dann auch wieder am Parkplatz angekommen. Ich mittlerweile mit der brastigsten Laune, die ich angesichts des strahlenden Tages und der gloriosen Landschaft heraufbeschwören konnte. Der Gatte schwang sich hinter den Volant, um die Mannschaft zurück zum Kraftfahrzeug Nummer 2 zu kutschieren. Ich blieb in der Picknickecke des Parkplatzes, um mich in meinem selbst gemachten Märtyrertum zu suhlen. Ganz ehrlich gesagt, war das ziemlich angenehm. Um die Picknicktische herum war ein gepflegter Grasteppich, auf dem ich mich in der Sonne ausstreckte. Und dann vertrieb ich mir die Zeit, in dem ich dem schokoladensamtigen Bariton meines Lieblingsschauspielers lauschte, wie er einen kitschigen Liebesroman aus dem 19. Jahrhundert mit köstlichem Akzentwechsel und reizenden Intonationsspielchen zum Leben erweckte. Meine Laune erholte sich schnell.
Ich habe an dem Tag den Giant's Causeway allerdings nicht mehr gesehen. Vielleicht hätte der GäGa mich nicht wieder abholen sollen, denn die Laune sank schlagartig wieder in den Keller, als mir klar wurde, dass er eine Stunde später alleine zurückgekommen war, um mich aufzusammeln, während die Gruppe im plüschigen Causeway Hotel saß und sich an Scones und Tee labte. Ich fand es, gelinde gesagt, ein wenig rücksichtslos, Zeit zu vertrödeln, während andere Leute den fahrbaren Untersatz heranführen. Aber so ist das mit der Unkompliziertheit meiner irischen Familie - wer freiwillig zurück geht, muss nicht damit rechnen, dafür auch noch gelobt zu werden. Undankbarkeit ist der P___s Lohn. Ob ich mich daran noch gewöhnen werde, weiß ich nicht, schließlich habe ich schon 15 Jahre davon hinter mir und ärgere mich nach wie vor über die Regelübertretungen, die bei den P___s als Sport betrieben werden. Man kommt halt nicht aus seiner deutschen Haut heraus.
Der Klippenweg war übrigens 4,8 Meilen lang. Das sind 7,7 Kilometer.

Mittwoch, 31. Juli 2013

Ende

Und zurück. Unter grauem Himmel. Bei Regen. Irland eben. Normalerweise vermisse ich D'land ja gar nicht so, aber dieses Mal... *seufz* Es war einfach zu schön. Die zwei Wochen Urlaub war reich gefüllt mit allem, was das Ex-Pat-Herz begehrt. Besuch bei Freunden, langes Ausschlafen, herrliches Wetter, Biergartenbesuche, interessante Neubegegnungen, Wiederanknüpfen alter Freundschaften, "Mädchensalat" (gebratene Hühnerbrustsstreifen auf gemischtem Salat), Nostalgie am alten Studienort, Quality Time mit den Kindern, neue Eindrücke in neuen Städten, Bahnfahrten mit Überraschungseffekten, Weinschorle, Erdnussflips, Papa und Mama, Einkaufen gehen, Fotoausstellungen, 39° Grad Celsius, lange Nächte, Frühstück im Freien, Sonne, Schwimmen im Fluss, stundenlange Café-Sitzungen, Kultur... So eine Liste lässt sich beliebig lang fortsetzen. 

Nein, ich vermisse Deutschland in meinem täglichen Leben im Ausland nicht wirklich. Ich bin glücklich, wo ich bin, hab mir ja auch schließlich die regnerische kleine Insel am Westrand Europas selber ausgesucht. Aber widersinnigerweise hat Irland mir Deutschland in der Distanz auch näher gebracht. Ich fahre gerne nach Hause. Und ich brauche die regelmäßige Reise nach Deutschland, um mich einerseits meiner eigenen Identität, andererseits aber auch meiner Entscheidung zu vergewissern, dass ich mit dem Wahl meines Lebensmittelpunktes die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich vermisse Familie und Freunde heftig. Und wünsche mir oft, dass wir deutschen Sommer, deutsches Bier und deutsche Biergärten auch in Irland hätten. Das wird mir mit jedem Besuch aufs Neue bewusst. Aber gleichzeitig wächst auch die Sicherheit, dass sich eigentlich nichts verändert hat. Auch wenn ich im Ausland lebe - die Vertrautheit bleibt. Im Kleinen mit Familie und Freunden, aber auch im Großen, mit meinem Heimatland an sich. Die Details wechseln, doch die grobe Richtung bleibt. Deutschland bleibt Deutschland, und Sonja bleibt Sonja.

Was hier ein wenig sentimental klingt, hat einen guten Grund. Die Westrandbemerkungen werden sich in nächster Zeit wahrscheinlich ein bisschen ändern. Es haben sich ein paar blog-bezogene Änderungen ergeben, die darauf hinauslaufen werden, dass ich vermutlich weniger regelmäßig und möglicherweise auch thematisch etwas breiter bloggen werde. Das deutsche Ex-Pat-Leben in Irland habe ich die vergangenen drei Jahre intensivst beobachtet. Zeit, die Unterschiede in den Hintergrund zu stellen, und einfach nur den Moment zu genießen. Wie das genau aussehen wird, weiß ich selber noch nicht - etwas persönlicher, mehr Fotografie, mehr Bastelei? Das sind die Themen meiner beiden englischsprachigen Blogs, die ich hier bisher nicht so intensiv verfolgt habe. Neuorientierung. Lassen wir es einfach mal auf uns zukommen. Bis bald.