Dienstag, 8. März 2011

Kleingeplauder

Was für ein eckiges Wort, "Kleingeplauder". Fließt nicht, sträubt sich, ist unhandlich. Und irgendwie ist es ja auch schon irgendwie bezeichnend, dass es keine wirklich aussagekräftige Übersetzung für den englischen Begriff small talk im Deutschen gibt. Geplauder, Plausch, Schwätzchen. Wir Deutschen können das eben einfach nicht so richtig gut. (Deswegen brauchen wir dafür auch kein Wort in unserer Sprache...)

Ganz anders die Iren. Die sind die Meister des small talk. Und zwar Männer wie Frauen. Ob es zur irischen Schulbildung gehört, im Rahmen des Englischunterrichts einen Ausflug nach Blarney Castle zu machen und dort den so genannten Blarney Stone zu küssen? Dieser verleiht nämlich allen, die sich todesmutig über den Abgrund lehnen und auf dem Rücken liegend den unter den Burgzinnen eingemauerten Blarney Stone abschlecken, die Gabe der Beredsamkeit.

Früher hab ich mich ja noch über diesen Hang zum small talk bei den Iren lustig gemacht. Da war zum Beispiel dieser entzückende, ältere Herr, der mich als Pförtner des European Parliament Office jeden Morgen auf meinem Weg zum Praktikum beim EP freundlich mit einem neuen Kommentar zur aktuellen Wetterlage versorgte. Meine Güte, wie viel kann man denn bitte über das - schließlich doch immer identische - irische Wetter (eine Jahreszeit, das ganze Jahr über) reden? Ich hielt das Palaver für überflüssig und idiotisch. Nun ja, ich war auch gerade erst 24... Bis mich mein (selbstverständlich irischer) Freund auf den Pott setzte: small talk ist keine Weitergabe von essentiell wichtigen Informationen, so wie wir Deutschen Kommunikation verstehen. Es handelt sich dabei lediglich um die kleine freundliche Interaktion unter Fremden, die das Leben einfach etwas leichter macht. Keine tiefere Bedeutung, nur ein bisschen die Stimmbänder trainieren und dabei quasi rückmelden, dass man das Gegenüber im Aufzug/an der Supermarktkasse/im Wartezimmer wahrgenommen hat.

Anderthalb Jahrzehnte später sehe ich das Ganze auch etwas anders und habe mich den örtlichen Sitten und Gebräuchen angepasst. Ich bin quasi die Queen of Small Talk. Gestern morgen habe ich mich richtiggehend auf den halbjährlich anstehenden Besuch bei meiner Zahnhygienikerin gefreut - die Dame macht mir nicht nur das Lächeln präsentabel, sondern ist einfach mit ihrem sonnigen Geplauder gute Laune-machend. Und erstaunlicherweise weiß Clodagh auch trotz sechsmonatiger "Zwischenzeit" immer noch, dass ich wieder unter die Studenten gegangen bin und Fotografie studiere. Müheloser small talk mit einer Meisterin ihres Faches!

Mittlerweile weiß ich small talk sogar gewinnbringend zu meinem Vorteil einzusetzen. Nach einem guten Vorwand suchend kam ich mit der freundlichen, asiatisch-stämmigen Verkäuferin in meinem Stamm-Sushi-Laden ins Gespräch. Ein kleines "Woher kommst du?", ein gezielt gestreutes "Oh, meine Schwägerin lebt auch in Kuala Lumpur!" und ein paar "Schönes Wochenende nochs!", und ich war ihre Lieblingskundin. Seitdem bekomme ich beim Sushi-Kaiser immer zwei Bentoboxen umsonst in die Tüte gepackt. Die Investition in ein bisschen freundliche Unverbindlichkeit - oder ist es doch eher unverbindliche Freundlichkeit? - zahlt sich also aus.

Wie ist denn bei euch das Wetter heute so? Hier ist es sonnig und schön...

PS: Ich war übrigens auch schon auf Blarney Castle. Und nun ratet mal, ob ich ihn wohl geküsst habe oder nicht *grins*? Ein kleiner Tipp: Ich schreibe vier Blogs und bin Journalistin von Beruf...

4 Kommentare:

  1. herzlichen dank fuer deinen heiteren tagesbeitrag, so nett beschreibst du diese unendlich wohltuhende second nature unserer wahl-verwanten. ich hatte in Berlin einmal ein Rhee trauriges erlebnis als sich eine bekannte bei Mir beschwerte das ich "ja wohl mit jedem rede" als meine irischen guten sitten ins deutsche beisammensein ueberschwappten...

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  2. *lach* ja, so kann das auch ankommen... Ich finde die irischen Umgangsformen in der Hinsicht doch wesentlich angenehmer als die deutsche Art. Aber vielleicht bin ich mittlerweile schon mehr Irin als Deutsche?

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  3. Woran erkennt man die deutschen Urlauber hier (abgesehen davon, dass sie an der Fußgängerampel auf grün warten)? Daran, dass sie einen angucken wie ein Auto, wenn man sie beim Kartenlesen erwischt und spontan Hilfe anbietet. Mann, was sind wir für ein verkrampftes Volk. Die Idee, dass ich auch mal so war, ist irgendwie erschreckend.

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  4. *Lach* - ja, es eröffnet den eigenen Horizont ungemein, im Ausland zu leben. Man sieht seine eigenen Landsleute mit etwas mehr Distanz und Kritik.

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